Heilige Scheiße die Polizei mal wieder.

Jean-Christoph Couvy von der Gewerkschaft SGP ist einer der Wortführer des Protests gegen die Inhaftierung des Marseiller Kollegen. Im Radiosender France Info erklärt er, es sei vor allem die Form, die ihn und seine Mitstreiter betroffen mache: “Untersuchungshaft, das ist mehr als eine Missbilligung. Das kommt einer Entehrung gleich.”

Für jemanden der auf Überwachungskameras zu sehen ist wie er einen Mann zum Schwerbehinderten verprügelt.

  • NeoMoss@lemmy.blahaj.zone
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    1 year ago

    Gibt einfach keine Erklärung die so ein Verhalten gerechtfertigen würde, also warum zum fick sollte man Unschuld vermuten. Und die Bullen stecken doch ständig unschuldige in untersuchungshaft um sie einzuschüchtern.

    Mich Wunderts echt das es immernoch Menschen gibt wo so sehr Stiefel lecken das sie so verhalten entschuldigen kann.

    Scheint ja komischerweise ein weltweites Problem mit Polizei zu haben. Vll sollte man das System mal genauer anschauen, weil es irgendwie ja en grundsätzliches Problem mit dem Konzept “Polizei” gibt.

    • Wxnzxn@lemmy.ml
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      1 year ago

      Generell haben Autoritätsstrukturen eigentlich immer eine perverse, obszöne Ebene der erlaubten Grenzüberschreitung “unte der Hand” sozusagen. Auf der einen Seite ist das (auch Selbst-) Bild eines Polizisten das eines Menschen, der selbstdiszipliniert ist, sich mit den Abgründen der Gesellschaft auseinandersetzen muss, das eines “tragischen Helden” in gewisser Weise. Diese Selbstdisziplinierung (inklusive nahezu absoluter Solidarität in der eigenen Gruppe) und die nominelle Verpflichtung gegenüber einem abstrakten Gesetzeskodex ist nicht im Widerspruch zu, sondern explizit verknüpft mit dem offenen Geheimnis der erlaubten Grenzüberschreitung, der Gewalt und des Missbrauchs die beide zu Tage treten.

      Auch in unserem kulturellen Gebäude gibt es ja vielzählig Werke, welche den “bad cop” heroisieren, sympathisch machen. Folter muss eben manchmal sein, ansonsten sterben am Ende Unschuldige. Mit Verbrechern darf man hart umgehen, es ist ja sogar notwendig. Staatsfeinde müssen auch gewaltsam in Schranken gewiesen werden.

      Das unbewusste und bewusste Genießen dieser Momente ist verankert in der psychologischen Dynamik der Institution als Autoritätsstruktur. Militär und Gefängniskultur sind explizit homophob und erzwingen starke Kontrolle der Triebhaftigkeit, haben aber zugleich hohe, strukturelle Vergewaltigungsraten von Männern an Männern. (Und auch Frauen, was im Militär häufiger noch zu Tage tritt). Katholische Ämter kommen mit der enormen Selbstdisziplin des Zölibats, aber erlauben strukturellen Missbrauch von Schutzbefohlenen als stilles Geheimnis, tief verankert in der eigenen Kultur. Und Polizei verlangt nach Außen hin absolute Disziplin als “Volksdiener” und Schlichter, aber erlaubt Gewalt und Autoritätsmissbrauch als im Geheimen voll akzeptierte Struktur. (Nicht von jedem Individuum, aber eben strukturell.)

      Nur die Transformation der Institution der Polizei weg von einer Staats-, Besitzverhältnis- und Machtstrukturschützenden Institution, die eben die Wurzeln der Polizei sind (die “Polizei als Freund und Helfer”-Rolle entwickelte sich erst nach und nach durch Druck aus der Zivilgesellschaft und den Aufstieg des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaats, welcher jetzt ja wieder unter der Krise seit den 80ern weltweit als Konzept bröckelt), hin zu einer in die Gemeinschaft eingebundene Institution mit dem Fokus auf Schlichtung, Prävention und Aufklärung, unter Zuhilfenahme von Kontrollmechanismen hätte die Chance, diese Dynamik einzudämmen oder sogar zu überwinden.

      Da die Klassenstruktur des Kapitalismus aber eine Schutzmacht braucht, welche die Machtverhältnisse stabil halten und im Zweifel auch überschreitend und Brutal der Frustration und potentiellen Revolten entgegen treten kann, ist dies nahezu unmöglich ohne noch tiefgreifendere strukturelle Veränderungen, da ansonsten reine Reformen entgegen der Interessen der Besitzenden (sowohl Kapitalisten als auch Kleinbürgern in diesem Fall) bleiben.

      • A2PKXG@feddit.de
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        1 year ago

        Welche (antikapitalistische) Gesellschaftsform kommt denn ohne Polizei aus?

        • Wxnzxn@lemmy.ml
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          1 year ago

          Ah, sry, meine diffusen Absätze sind manchmal echt verwirrend geschrieben, so wies dann gerade aus meinem Kopf raussprudelt.

          Wollte nicht behaupten, dass es eine (für die Gegenwart relevante) Gesellschaftsform gibt, die ganz ohne eine Institution mit vielen der Rollen der heutigen Polizei auskommt. Beispiele gibt es zwar, aber diese sind meistens entweder Stammesgesellschaften, oder auch Feudalsysteme in denen zwar keine Polizei aber eine Militärelite und schwere drakonische Strafen zusammen ein Gesetz eher schlecht als recht durchsetzen.

          Mir ging es nicht um eine komplette Abschaffung als solche, sondern darum, dass so lange die Klassengesellschaft große Konflikte (jenseits persönlich motivierter Gewalt und Ungerechtigkeit) unausweichlich macht, die Polizei - aus meiner Sicht - ihre Struktur nicht überwinden kann, da ihre Position als über der Restgesellschaft stehen und als potentieller Schlagstock gegen die Opposition im materiellen Interesse der Besitzenden liegt. Dies gibt Reformen eingeschränkte Wirksamkeit, und in Zeiten größerer Krise können sie auch wieder zurück gerollt werden (ähnlich wie bei den Fortschritten im Sozialstaat).

          Zwar wird man auch wahrscheinlich Anarchist*innen finden, die eine vage Idee von einer Gesellschaft ohne Polizei schon im Baldigen als realistisch ansehen, ich selbst bin da allerdings etwas weniger optimistisch, bin doch eher im Marxistischen Lager zu verorten. Gerade Dinge wie Aufklärung/Investigation, Intervention, Prävention und Schlichtung sehe ich bei der Komplexität der Gesellschaft durchaus noch als notwendigerweise auch Institutionell verankert.